Ein Magerquarkdelikt - Mundraub in der Mittagspause
Im Supermarkt flitze ich eher selten mit ausgeklügelter Einkaufsliste zielstrebig von Regal zu Regal.
Oft trödel ich versonnen durch die Reihen auf der Suche nach Inspiration.
Der Einkaufswagen des hageren Marathonläufers - Tofu, Magerquark und fast bedenklich viele Eier- fällt mir darum schnell ins Auge.
Er erinnert mich an die Geschichte, die ein Freund vor kurzem erzählte.
In seinem Büro bat ein Mitarbeiter eindringlich um ein Gespräch unter vier Augen.
Da der Mitarbeiter wohl nicht mit seinem direkten Vorgesetzten sprechen wollte und auch dessen Chef übersprungen hatte, um sich gleich an ihn, den Chef vom Chef zu wenden, nahm unser Freund die Anfrage sehr ernst.
Er bat den Mitarbeiter noch am selben Nachmittag in sein Büro, um sich dessen anscheinend schwerwiegender Sorge anzunehmen.
„Sie sollten wissen, daß ich pro Tag drei große Packungen Magerquark zu mir nehme und zwar ausschließlich.“ leitete der aufgewühlte Mitarbeiter das Gespräch ein.
„Die Mittagsportion lege ich bis zur Pause in den Büro-Kühlschrank.
Nun hat aber tatsächlich jemand meinen Magerquark gestohlen und ich werde meinen Essensplan heute nicht einhalten können.“
Unser Freund scheint mir der einfühlsamste Chef jemals zu sein.
Es kam ihm nicht mal in den Sinn, den Mitarbeiter zu fragen, ob ihm die Banalität dieses Problems bewusst sei.
Er nahm sich die Zeit, die Empörung des Angestellten herunter zu kühlen, einige konstruktive Vorschläge ins Spiel zu bringen und sogar anzubieten einen neuen Magerquark zeitnah aufzutreiben.
Ich frage mich also unweigerlich beim Blick in den eiweißreichen Einkaufswagen neben mir, ob der Mann sich schon Gedanken zur sicheren Kühlverwahrung seiner Lebenmiittel gemacht hat, will ihn aber lieber nicht fragen.
Die Stimme einer Mutter holt mich dann aus meinen Gedanken zum Magerquark.
Mit ernster Wichtigkeit im Tonfall fragt sie ihr ungefähr vierjähriges Kind im Einkaufswagensitz:
„So. Und was habe ich Dir gesagt, an was Du mich erinnern sollst?“
Das Kind, wie aus der Pistole geschossen:
„Gummibärchen.“
Die Reaktion der Mutter, beleidigt und vorwurfsvoll:
„Nein! Bio-Sojasoße.“
Ich muss so laut lachen über diesen pfiffigen kleinen Kerl, daß seine Mutter mich mit bösen Blicken straft.
Vielleicht hat der Junge auch den mageren Einkauf des sportlichen Herrn bemerkt und will lieber sichergehen, daß es bei ihm selbst bunter aussehen wird.
Stattdessen muss er zusehen, wie die Bio-Sojasauce zum Seitanglas wandert und ich bin versucht heimlich ein Tütchen Haribo dazwischen zu schmuggeln.
Ich möchte an dieser Stelle anmerken, daß ich mich keineswegs lustig mache über Menschen die sich gesund ernähren möchten.
Viel mehr ist es mir selber wichtig, meinen Körper nicht permanent mit ungesunder Nahrung zu malträtieren.
Trotzdem glaube ich, daß das Glücksgefühl, das uns die kleinen kulinarischen Sünden bescheren, hin und wieder das Leben lebenswerter machen.
Darum sind hier unsere Tips für Läden, die süße Sünden zum Dahinschmelzen anbieten:
Andersen & Maillard Kopenhagen
(PS: der Mitarbeiter unseres Freundes verwahrt seinen Quark inzwischen in einer Box mit Zahlencode im Bürokühlschrank, damit ihm die Mittagsportion nicht mehr geraubt werden kann- seine ganz private Eiweiß-Versicherung)